der raum

20.01.2011, 21:00, Oktogon HFBK Dresden

Performance
im Rahmen der Ausstellung
„Fallstudie. Künstlerische (Selbst)Ausbildung

Die KünstlerInnen sind anwesend

Katrina Blach, Paul Bowler, Evelyn Jahns, Nahla Küsel,
Kathrin von Ow, Anna Schimkat, Daniel Windisch

Bitte betrachten Sie das nun Folgende als einen Diskussionsbeitrag.

Die Künstler sind anwesend

Es geht los. Wir sind Künstler, eine Kulturwissenschaftlerin, insgesamt Akademiker.
Wir sind gut ausgebildet worden. Doch wozu eigentlich?
Für eine Punktlandung auf dem Kunstmarkt. Wir wurden dafür ausgebildet, unsere individuelle künstlerische Position zu formulieren. Den Rest haben wir gelernt, anderen zu überlassen: Galeristen, Kuratoren, Jurys, Gremien. Neuerdings hat sich zum Bild des Künstlers als Keimzelle auch noch das Bild des Künstlers als Selbstvermarkter gesellt. Denn ein Diplom allein ist keine Zugangsberechtigung zum Kunstbetrieb. Das hat sich mittlerweile auch in Kunstakademien herumgesprochen. Aus dem Wunsch, auf möglichst alles vorbereitet zu sein, erwerben wir uns allerhand Zusatzqualifikationen. Diese werden nicht zuletzt dann gebraucht, wenn die Punktlandung nicht hinhaut und der Lebensunterhalt anderweitig bestritten werden muss.
Wir können Handwerk, Sozial- und Kulturarbeit und versuchen uns an einer Mischkalkulation.Wir haben es uns selbst beigebracht, es uns von anderen abgeschaut oder aber es in zum Teil bereits viele Jahre zurückliegenden, dem Kunststudium vorgelagerten Berufsausbildungen gelernt. Im letzten Fall verfügen wir zwar über Zeugnisse und Zertifikate, aber nicht wirklich über Berufspraxis, in allen anderen Fällen sind wir mehr oder minder talentierte Dilettanten.
Dennoch ist unser Wunsch nach Weiterbildung nicht mit Angst behaftet, sondern mit Lust und Neugierde. Wir wollen ganz viel Neues lernen, weil man ja schließlich nie weiß, wozu es einmal nützen kann.
Die allermeisten Menschen betreiben Selbstausbildung. Entweder als berufliche Weiterbildungsmaßnahme, um aufzusteigen, mehr zu verdienen, eine Stelle überhaupt zu bekommen. Oder als Freizeitbeschäftigung, um zu entspannen, den Körper zu trainieren, um endlich Italienisch zu können. Diese Form der Selbstausbildung ist zielgerichtet.
Das, was wir betreiben, kann nur auf Zwischenergebnisse abzielen. Denn das Ziel, auf das unsere Selbstausbildungsmaßnahmen letztendlich hinauslaufen, ist: sich den Platz im Feld der zeitgenössischen Kunst selbst zu nehmen, wenn er einem schon nicht zugewiesen wird. Die Strategie, wie wir dorthin gelangen könnten, haben wir noch nicht fertig entwickelt. Deshalb betreiben wir keine stromlinienförmige Selbstausbildung, sondern gehen wie mit ausgebreiteten Armen durch einen Teich, um auf dem Weg ans andere Ufer so viel wie möglich mitzunehmen. Wir kommen nur langsam vorwärts, haben aber dafür die Taschen voller Gold und hoffen, dass wir uns davon im Land am anderen Ufer auch etwas kaufen können.

Unsere akademische Ausbildung hat uns zu Einzelgängern erzogen.
Bloß die Autorenschaft nicht aus der Hand geben!“ sagen wir uns und sind lediglich bereit, bestimmte Dienstleistungen in Auftrag zu geben: Drucker, Grafiker, Trockenbauer nehmen wir in Anspruch – wenn wir es denn bezahlen können. Über andere Formen von kollektivistischer künstlerischer Arbeit jenseits von Künstlergruppen muss auf jeden Fall noch nachgedacht werden.
Was könnte in dieser Hinsicht der Begriff „Professionalisierung“ beinhalten?

Die A und V Projekt- und Hörgalerie in Leipzig Lindenau besteht seit 2007 und wird von KünstlerInnen und KunstvermittlerInnen gemeinschaftlich betrieben. Der nichtkommerzielle Projektraum versteht sich als Experimentierfläche und Schnittstelle. Ein Schwerpunkt im Programm liegt auf Klangkunst – hier spannt sich der Bogen von Soundinstallation bis zum Konzert. Ein weiterer Fokus liegt auf kollaborativen Konzepten. Dies sind Kooperationen von einzelnen KünstlerInnen, Projekte mit anderen Kunsträumen im Rahmen von Netzwerken sowie die Zusammenarbeit mit PartnerInnen und Initiativen des gesellschaftlich-politischen Feldes.“

so beschreiben wir das, was wir tun, wenn wir um ein kurzes abstract von 3-5 Sätzen gebeten werden.

Der A und V ist heute ein Zusammenschluss von Einzelgängern.
Zwar werden einige Abläufe arbeitsteilig organisiert. Insgesamt funktioniert der Betrieb aber nach dem Rotationsprinzip. Dies korrespondiert nicht zuletzt mit dem Selbstverständnis, das wir mitbringen: wir sind Künstler und jeder kann alles – lernen. Hierdurch entziehen wir uns in jedem Fall einer Professionalisierung im klassischen Sinn, weil dieser Modus sehr ineffektiv ist. Dafür halten wir Hierarchien flach.

Wir nehmen uns gegenseitig kaum Arbeit ab. Aber wir schaffen Möglichkeitsräume für uns und für alle, mit denen wir kooperieren. Das geschieht in einem finanziell unlukrativen Segment des Kunstmarkts. Ist unsere Arbeit deshalb nichtkommerziell oder lediglich präkommerziell?
Zunächst ist unser Projektraum nichtkommerziell, weil wir ausstellen was keiner kauft. Und präkommerziell, weil im Moment noch keiner kauft, was wir ausstellen. Er ist nichtkommerziell, weil wir einen Teil unserer Kompetenzen in gewisser Hinsicht vom Markt nehmen und in etwas investieren, obwohl es keinen finanziellen Ertrag abwirft. Und er ist präkommerziell, weil wir für diese Arbeit auch Geld annehmen würden, wenn man es uns denn anböte.
Aber machen wir uns nichts vor: Die Entscheidungsfreiheit, die wir diesbezüglich haben, ist eingeschränkt. Hier könnte man fragen: Werden Projekträume von denjenigen betrieben, die es nicht geschafft haben, kommerziell erfolgreiche Künstler zu sein?
Wir haben uns nicht ausgesucht, dass keiner bezahlt, was wir arbeiten, aber wir haben uns ausgesucht, auch weiterhin das zu arbeiten, was keiner bezahlt. Das ist die Spannweite unserer Entscheidungsfreiheit. Und diese ist weder kleiner noch größer als die von jedem anderen auch.

Der A und V ist mehr als die Summe seiner Veranstaltungen.
Ein Projektraum ist zunächst ein leerer Raum mit Mehrzweckfunktion. Die Organisatoren stellen dort ihre Themen und Konzepte öffentlich vor. Für uns wichtiger als die Hausherrenrolle ist die Tatsache, dass wir zu Akteuren auch außerhalb unseres Projektraums werden. Wir schaffen gewissermaßen Fakten im Kulturbetrieb. Wir haben die Entscheidung getroffen zur gemeinsamen Auseinandersetzung. Somit haben wir einen Zusammenhang geschaffen, der wichtiger ist als der konkrete physische Raum. Der A und V ist also in erster Linie die Verbindlichkeit der Zusammenarbeit, die wir eingegangen sind. Individuelle künstlerische Arbeit und gemeinsame Projektraumarbeit beeinflussen sich wechselseitig, stehlen sich gegenseitig die Zeit und entschädigen dies in einer anderen Währung.

Wir sind also die Guten?
Wir sind pflegeleicht und stubenrein. Wir arbeiten im eigenen Auftrag, fangen einfach schon mal an, da lassen wir uns nicht lange bitten. Wir freuen uns, wenn wir Zuspruch und Zuwendungen erhalten. Und wenn diese ausbleiben – dann machen wir trotzdem weiter und pinkeln deswegen niemandem vor die Tür. Denn womöglich sind diejenigen, die heute wegbleiben ja unser Publikum von morgen. Ist das schon neoliberal oder doch ein Teil der Lösung? Erzählen wir das Märchen von der Selbstbestimmung weiter oder tun wir das Wichtige im Falschen?